06_2025_Sport RLP

mal haben die Spieler angefangen zu

fragen, ob sie eine Prämie für absolvier­

te Spiele bekommen würden. Und ich

habe geantwortet: „Das kann durchaus

sein, nur nicht bei Mainz 05. Denn ich

muss euch leider sagen, dass nächstes

Jahr keiner von euch mehr hier ist, da wir

die Mannschaft komplett austauschen

werden. Sonst spielen wir weiterhin

C-Klasse.“ Das war meine erste Amts­

handlung.

Und da war ich

natürlich direkt

komplett unbeliebt.

Vom ersten Tag an, haben alle über

mich gehetzt: „Was macht denn der

da?“ Anschließend ging es im Endeffekt

wirklich nur darum, Spieler zu holen

und Spieler abzugeben. Wir haben uns

wenig darum gekümmert, dass hier mal

ein Stadion entsteht. Das kam alles erst

wesentlich später.

SPORT RLP: Wenn Sie an die größte

Herausforderung früher und heute

denken – wie unterscheiden sich

diese?

Christian Heidel: Früher war die größte

Herausforderung: Wie kommen wir

nach oben? Heute ist die größte Her­

ausforderung: Wie bleiben wir da oben?

Aber man muss natürlich sagen, das ist

jetzt eine ganz andere Verantwortung.

Als wir angefangen haben, hatten wir

einen Etat von 1,2 Millionen DM, also

600.000 Euro. Heute ist Mainz 05 ein

großes mittelständisches Unternehmen,

und wir haben inzwischen einen Etat

von rund 140 Mio. Euro. Das muss man

sich mal vorstellen. Wir hatten damals

eine Halbtagskraft, die hat in einem

Container gesessen und Tickets ver­

kauft. Und heute hat dieser Verein 250

Angestellte. Also – das ist nicht mehr

vergleichbar.

SPORT RLP: Wenn Sie zurückblicken:

Welche Entscheidungen würden Sie

heute genauso treffen – und welche

anders?

Christian Heidel: Ich würde wahrschein­

lich 100 Entscheidungen anders treffen,

weil ich das Ergebnis wüsste. Aber

ohne das Ergebnis zu kennen, würde ich

alle Entscheidungen genauso wieder

treffen. Unser Glück war, dass wir keine

elementaren Fehlentscheidungen ge­

troffen haben. Nicht nur ich, auch alle

anderen in der Verantwortung. Natür­

lich gibt es Detailentscheidungen wie

Spielertransfers, die sich im Nachhi­

nein als Fehler herausgestellt haben,

aber solche Fehler passieren. Und die

passieren überall. Eines weiß ich: So­

lange Menschen am Ruder sind und wir

nicht die Zukunft vorhersehen können,

werden Fehler immer Teil des Lebens

bleiben.

SPORT RLP: Was macht denn aus

Ihrer Sicht einen guten Vereins-

manager aus?

Christian Heidel: Ich bin jetzt seit etwa

34 Jahren mit einer kurzen Unterbre­

chung im Profigeschäft. Das ist auch

das Einzige, auf das ich ein bisschen

stolz bin. Dass ich das so lange ge­

schafft habe mit so einem kleinen Ver­

ein wie Mainz. Das ist immer ein gutes

Indiz dafür, dass man nicht so viel falsch

gemacht hat. Ganz wichtig dabei ist,

und deshalb habe ich es mir vom ersten

Tag an auf die Fahne geschrieben, ehr­

lich, authentisch und loyal zu sein. Ich

würde jetzt mal behaupten, dass es kei­

nen gibt, der sich mit mir nicht mehr an

einen Tisch setzt. Weil ich immer offen

und ehrlich war. Sonst kann man es über

eine so lange Zeit nicht machen.

„Ich glaube, man muss sehr

realistisch sein, was in einem

Verein möglich ist.“

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SPORT RHEINLAND-PFALZ | 06.2025

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