06_2025_Sport RLP

Wird das Finanzamt schon nicht so eng

sehen, denkt er sich. Was werden die

schon von Laien erwarten?

Als die Kassenprüfer kommen, präsen­

tiert Karl stolz seine „digitale Ablage“,

auf einem USB-Stick, den niemand öff­

nen kann, weil er mit Karls Passwort „Ein­

tracht08“ gesichert ist. Das Finanzamt

freut sich weniger.

Merke: Transparenz und Ordnung

sind keine Schikane. Sie retten

dich vor grauen Haaren (und

Strafen). Und Unwissenheit

schützt auch im Ehrenamt nicht

vor Strafe.

Karl und die Strategie

Karl lebt nach dem Motto: Planung ist was

für Leute ohne Spontanität. Er entschei­

det von Woche zu Woche: mal Kunstra­

sen, mal Kanuabteilung, mal Kooperation

mit der Grundschule. Ein Vereinskonzept?

Braucht er nicht. Er hat schließlich „ein

gutes Bauchgefühl“. Leider hat niemand

sonst dieses Gefühl. Nach drei Jahren

weiß keiner mehr, ob der Verein nun

Leistungssport, Breitensport oder Bas­

telgruppe ist. Aber hey, Hauptsache, man

hat Spaß!

Merke: Ohne klare Richtung läuft

man im Kreis. Und das sieht im

Verein selten dynamisch aus.

Karl und das Recht

Karl mag keine Bürokratie. Satzungen,

Datenschutz, Haftung: das ist doch

nur was für Leute ohne Herzblut! Also

schreibt er Einladungen zur Mitglie­

derversammlung per WhatsApp („Wer

kommt, Daumen hoch!“) und unter­

schreibt Sponsorenverträge mit Kugel­

schreiber auf Servietten. Oder am besten

direkt lieber per Handschlag, weil Ver­

trauen und so… Als sich der Platzwart

bei Baumfällarbeiten verletzt und fragt,

ob er versichert ist, sagt Karl: „Natürlich,

irgendwie bestimmt!“ Spoiler: war er nicht.

Merke: Paragrafen sind keine

Spaßbremsen. Sie sind das

Geländer, das dich vor dem Sturz

bewahrt.

Karl und das Marketing

Karl ist modern. Er hat gehört, Social

Media ist wichtig. Also hat er eine Face­

book-Seite erstellt. 2017. Seitdem postet

er alle halbe Jahre ein Foto vom Vereins­

heim („Neuer Anstrich! Wieder beige!“).

Er wundert sich, warum die Jugend lieber

in anderen Vereinen spielt. Einmal hat Karl

sogar ein Logo entworfen, in WordArt. In

Regenbogenfarben. „Das fällt auf!“, sagt

Karl stolz. Ja. Tut es.

Merke: Vereinsmarketing ohne

Plan ist wie ein Trikot ohne

Nummer. Keiner weiß, wer du bist.

Karl und das Ehrenamt

Karl glaubt: Wenn es keiner macht, macht

es halt Karl. Deshalb begrüßt er jeden

neuen Helfer mit den Worten: „Super,

dass du da bist! Kannst du direkt mal

den Grill übernehmen. Für immer?“ Moti­

vation? Lob? Kleine Aufmerksamkeiten?

Dafür hat Karl keine Zeit, denn er muss ja

alles selbst machen. Nach einem Jahr ist

die Helferdatei leer.

Merke: Ehrenamtliche wachsen

nicht auf Bäumen, aber sie blühen

auf, wenn man sie gießt.

Karl und die Kommunikation

Karl kommuniziert klar. Also klar für ihn.

Er schreibt Mails mit Betreff „WICHTIG!!!“

und Inhalt „Wie besprochen.“ Protokolle

sind optional, Gerüchte sind Strategie. Im

Verein kursieren drei Versionen jeder Ent­

scheidung, aber keine stimmt. Karl nennt

das „lebendige Diskussion“.

Merke: Kommunikation ist wie

Fußball, ohne klare Pässe kein

Zusammenspiel.

Fazit:

Karl meint es gut. Wirklich. Aber Karl zeigt

uns, was passiert, wenn Engagement

ohne Struktur, Leidenschaft ohne Plan,

Herz und ohne Hirn zusammenkommen.

Denn ein Verein ist kein Selbstläufer, er ist

Teamarbeit, Strategie und Herzblut. Und

wenn man all das beherzigt, dann klappt

es auch mit dem Vereinsleben.

Nur Karl… der ist inzwischen Ehrenvor­

sitzender. Auf Lebenszeit. Weil sich keiner

traut, ihn abzulösen. ■

Ines Cukjati

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SPORT RHEINLAND-PFALZ | 06.2025

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