Wird das Finanzamt schon nicht so eng
sehen, denkt er sich. Was werden die
schon von Laien erwarten?
Als die Kassenprüfer kommen, präsen
tiert Karl stolz seine „digitale Ablage“,
auf einem USB-Stick, den niemand öff
nen kann, weil er mit Karls Passwort „Ein
tracht08“ gesichert ist. Das Finanzamt
freut sich weniger.
Merke: Transparenz und Ordnung
sind keine Schikane. Sie retten
dich vor grauen Haaren (und
Strafen). Und Unwissenheit
schützt auch im Ehrenamt nicht
vor Strafe.
Karl und die Strategie
Karl lebt nach dem Motto: Planung ist was
für Leute ohne Spontanität. Er entschei
det von Woche zu Woche: mal Kunstra
sen, mal Kanuabteilung, mal Kooperation
mit der Grundschule. Ein Vereinskonzept?
Braucht er nicht. Er hat schließlich „ein
gutes Bauchgefühl“. Leider hat niemand
sonst dieses Gefühl. Nach drei Jahren
weiß keiner mehr, ob der Verein nun
Leistungssport, Breitensport oder Bas
telgruppe ist. Aber hey, Hauptsache, man
hat Spaß!
Merke: Ohne klare Richtung läuft
man im Kreis. Und das sieht im
Verein selten dynamisch aus.
Karl und das Recht
Karl mag keine Bürokratie. Satzungen,
Datenschutz, Haftung: das ist doch
nur was für Leute ohne Herzblut! Also
schreibt er Einladungen zur Mitglie
derversammlung per WhatsApp („Wer
kommt, Daumen hoch!“) und unter
schreibt Sponsorenverträge mit Kugel
schreiber auf Servietten. Oder am besten
direkt lieber per Handschlag, weil Ver
trauen und so… Als sich der Platzwart
bei Baumfällarbeiten verletzt und fragt,
ob er versichert ist, sagt Karl: „Natürlich,
irgendwie bestimmt!“ Spoiler: war er nicht.
Merke: Paragrafen sind keine
Spaßbremsen. Sie sind das
Geländer, das dich vor dem Sturz
bewahrt.
Karl und das Marketing
Karl ist modern. Er hat gehört, Social
Media ist wichtig. Also hat er eine Face
book-Seite erstellt. 2017. Seitdem postet
er alle halbe Jahre ein Foto vom Vereins
heim („Neuer Anstrich! Wieder beige!“).
Er wundert sich, warum die Jugend lieber
in anderen Vereinen spielt. Einmal hat Karl
sogar ein Logo entworfen, in WordArt. In
Regenbogenfarben. „Das fällt auf!“, sagt
Karl stolz. Ja. Tut es.
Merke: Vereinsmarketing ohne
Plan ist wie ein Trikot ohne
Nummer. Keiner weiß, wer du bist.
Karl und das Ehrenamt
Karl glaubt: Wenn es keiner macht, macht
es halt Karl. Deshalb begrüßt er jeden
neuen Helfer mit den Worten: „Super,
dass du da bist! Kannst du direkt mal
den Grill übernehmen. Für immer?“ Moti
vation? Lob? Kleine Aufmerksamkeiten?
Dafür hat Karl keine Zeit, denn er muss ja
alles selbst machen. Nach einem Jahr ist
die Helferdatei leer.
Merke: Ehrenamtliche wachsen
nicht auf Bäumen, aber sie blühen
auf, wenn man sie gießt.
Karl und die Kommunikation
Karl kommuniziert klar. Also klar für ihn.
Er schreibt Mails mit Betreff „WICHTIG!!!“
und Inhalt „Wie besprochen.“ Protokolle
sind optional, Gerüchte sind Strategie. Im
Verein kursieren drei Versionen jeder Ent
scheidung, aber keine stimmt. Karl nennt
das „lebendige Diskussion“.
Merke: Kommunikation ist wie
Fußball, ohne klare Pässe kein
Zusammenspiel.
Fazit:
Karl meint es gut. Wirklich. Aber Karl zeigt
uns, was passiert, wenn Engagement
ohne Struktur, Leidenschaft ohne Plan,
Herz und ohne Hirn zusammenkommen.
Denn ein Verein ist kein Selbstläufer, er ist
Teamarbeit, Strategie und Herzblut. Und
wenn man all das beherzigt, dann klappt
es auch mit dem Vereinsleben.
Nur Karl… der ist inzwischen Ehrenvor
sitzender. Auf Lebenszeit. Weil sich keiner
traut, ihn abzulösen. ■
Ines Cukjati
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SPORT RHEINLAND-PFALZ | 06.2025
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