erinnert er sich in einem SWR-Beitrag an
seine Flucht. Im September 2014, nach
einer mehrmonatigen Odyssee, kommt
er als Flüchtling, ohne jegliche Sprach-
oder Ortskenntnisse, in Deutschland an.
Über Köln und Trier landet er in der Vul-
kaneifel. Von dort aus beginnt schließ-
lich sein sportlicher Werdegang. Auch
wenn Samuel zu diesem Zeitpunkt selbst
davon noch nichts weiß. Denn noch ahnt
niemand, vor allem nicht er selbst, was
für ein riesiges Talent in ihm schlummert.
Erstmals zeigt es sich im Februar 2015 –
Mit Fußballschuhen an den Füßen, dickem
Wollpullover und sichtlich mehr Kilos auf
den Rippen als heute, lässt er die Konkur-
renz bei einem Crosslauf über Stock und
Stein hinter sich und läuft auf Platz 3. Dass
sein Potenzial dann überhaupt entdeckt
und anschließend entsprechend geför-
dert wird, ist ein Stück weit dem Zufall
zu verdanken. Bei einem Cooper-Test
seiner Schule zeigt Samuel – bis dahin
noch völlig ohne Lauferfahrung, nicht
ansatzweise austrainiert und bereits
19 Jahre alt – erstmals sein Talent. Zwölf
Minuten lang soll er einfach laufen. Und
zwölf Minuten lang läuft er allen anderen
davon. Runde für Runde lässt er seine
Mitläufer mit spielerischer Leichtigkeit
stehen. Allen ist sofort klar, dieser Junge
muss in einen Leichtathletikverein. Ab
diesem Zeitpunkt läuft es für Samuel. Er
überzeugt seinen heutigen Trainer Yannik
Duppich bei einem Probetraining. 1.000
Meter soll Samuel in seiner ersten Einheit
mit seinem neuen Verein, der LG Vulkanei-
fel, laufen. Und Samuel läuft los. Er rennt.
Vollgas. Viel zu schnell. Nach der Hälfte
ist er mit seinen Kräften am Ende. Doch
Aufgeben kommt für ihn nicht in Frage.
Nicht für den jungen Mann, der schon für
so vieles in seinem Leben gekämpft hat.
Mit letzter Energie schleppt er sich ins Ziel.
Es ist dieser Kampfgeist, dieser pure Wille,
der die Leute um ihn herum – auch heute
noch – beeindruckt.
„Das, was Yannik so beeindruckt hat,
war nicht die Zeit. Die war natürlich
auch gut. Aber die kämpferischen
Fähigkeiten, trotz völliger
Erschöpfung ins Ziel zu laufen, haben
ihm imponiert“,
erinnert sich sein Manager Jörg Ullmann
an damals.
Schnell macht er Fortschritte und ent-
wickelt sich zu einem erfolgreichen Läufer
für Strecken bis 10 Kilometer. Das Laufen
macht ihm einfach Spaß:
„Es ist meine
Leidenschaft.
Am liebsten will
ich noch mit 80
Jahren laufen
können.“
Besonders draußen, mitten im Grünen
der Natur.
„Wenn ich durch die Natur
laufe, gibt mir das einfach
ein Gefühl von frischer
Luft. Egal ob in der Vulka-
neifel oder auch in Äthio-
pien, es ist einfach viel
schöner“,
sagt er.
Der späte Einstieg in den Sport und
dadurch bedingte fehlende Grundschnel-
ligkeit sorgen dafür, dass weitere große
Verbesserungen mit der Zeit ausbleiben.
Doch statt einfach auf der Stelle stehen
zu bleiben, entscheidet sich Samuel
für den ganz großen Schritt. Nach der
Europameisterschaft 2022 in München
wechselt er nicht nur den Verein zu Sil-
vesterlauf Trier, sondern auch gleich die
Distanz, hin zum Marathon. „Ausdauer
war schon immer meine Stärke“, sagt er.
Die Messungen seiner körperlichen Werte
sprechen eine eindeutige Sprache und
bestätigen den Entschluss. Von da an
führt ihn sein Weg nur noch in eine Rich-
tung: an die Spitze des Feldes. Das Jahr
2024 wird für ihn sein bis dato bestes,
sein endgültiger Durchbruch: erfolgreiche
Olympia-Qualifikation, samt Fabelzeit in
Dubai, Bronze-Medaille mit dem Team bei
der Leichtathletik-EM in Rom im Halbma-
rathon, Teilnahme am Marathon-Wett-
bewerb der Olympischen Spiele in Paris
und deutscher Rekord beim Marathon
in Valencia. Voll fokussiert ist er vor sol-
chen wichtigen und erfolgreichen Läufen.
„Zwei, drei Stunden vorher will ich mit kei-
„Ich wusste nicht,
ob ich lebe, oder nicht lebe“,
20
SPORT RHEINLAND-PFALZ | 05.2025
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